Predigt II 2.Son.n. Epiphanias 19.1.2020 St. Arnual

Gnade und Friede….
Jer 14, 1-9:

Dies ist das Wort, das der HERR zu Jeremia sagte über die große Dürre: Die Großen schicken ihre Leute nach Wasser; aber wenn sie zum Brunnen kommen, finden sie kein Wasser und bringen ihre Gefäße leer zurück. Sie sind traurig und betrübt und verhüllen ihre Häupter. Die Erde lechzt, weil es nicht regnet auf Erden. Darum sind die Ackerleute traurig und verhüllen ihre Häupter. Die Wildesel stehen auf den kahlen Höhen und schnappen nach Luft wie die Schakale; ihre Augen erlöschen, weil nichts Grünes wächst.
Ach, HERR, wenn unsre Sünden uns verklagen, so hilf doch um deines Namens willen! Denn unser Ungehorsam ist groß, womit wir wider dich gesündigt haben. Du bist der Trost Israels und sein Nothelfer. Warum stellst du dich, als wärst du ein Fremdling im Lande und ein Wanderer, der nur über Nacht bleibt?
Warum stellst du dich wie einer, der verzagt ist, und wie ein Held, der nicht helfen kann? Du bist ja doch unter uns, HERR, und wir heißen nach deinem Namen; verlass uns nicht!
Liebe Schwestern und Brüder! Eben ist Jesus gerade noch mittendrin in der Lebensfreude einer Hochzeitsfeier ! Mit dem ersten seiner Wunder und Zeichen, bei dem Wasser zu Wein wird, erstaunt und erfreut er die Gäste. Und seine Jünger glaubten an ihn, heißt es am Schluss der Geschichte. Kein Wunder, möchte man meinen. Wer Gottes Gegenwart so unmittelbar erfährt wie die Jünger bei dieser Hochzeit, der hat leicht und gut glauben.
Der Kontrast zu dem Bild, das der Prophet Jeremia zeichnet, könnte kaum größer sein: Eine große Dürre hat den südlichen Teil des heutigen Israels heimgesucht. Stadt und Land, Mensch und Tier leiden. Die Äcker verdorren und die Brunnen geben kein Wasser mehr. Nicht nur die einfachen Ackerleute, sondern auch die mächtigen und reichen Großen sind am Ende, weil nichts Grünes wächst. Eine bedrückende Lage. Scheinbar ohne Ausweg.
Not lehrt beten, so heißt es. Auch das Volk Gottes betet: So
hilf doch, rufen die Israeliten. Verlass uns nicht!
Sie erinnern sich und Gott daran, wer er ist und als wen sie ihn erfahren haben: Du bist der Trost Israels, der immer zu seinem Volk halten wird, gleich, was kommt. So hat Gott sich ihnen gezeigt: Beim Auszug aus Ägypten und auf der Wanderung durch die Wüste bis hin zum Einzug in das gelobte Land. Mehr als einmal sind die Israeliten in ihrer Hoffnung, dass Gott sie nicht im Stich lässt, nicht enttäuscht worden.
Umso mehr macht ihnen die gegenwärtige Erfahrung zu schaffen. Zu dem Leiden an der Dürre kommt das Leiden an der scheinbaren Abwesenheit Gottes: Warum stellst du dich, als wärest du ein Wanderer, der nur über Nacht bleibt? So fragen sie. Gott scheint sich nicht wirklich für ihr Elend zu interessieren – wie jemand, der nur auf der Durchreise ist. Will er nicht helfen? Oder ist er wie einer, der verzagt ist, und wie ein Held, der nicht helfen kann? Das eine wäre so ernüchternd wie das andere. In der großen Dürre steht für die Menschen mit der erfahrenen Not auch ihr Glaube auf dem Spiel. Wie kann und soll man noch auf Gott und seine Hilfe hoffen, wenn die Erfahrung der Dürre so offensichtlich gegen ihn spricht?
Damals wie heute lässt sich die Krise des Glaubens, die Menschen erleben, in einer Frage bündeln: Warum? Warum die große Dürre und das Leiden von Mensch und Tier?
Schuld sind wir selbst, bekennen die Israeliten. Unser Ungehorsam ist der tiefste Grund des ganzen Elends. In der Dürre über Stadt und Land begegnen uns unsere eigenen Sünden, die uns verklagen. Ein Gedanke, der auch uns nicht einfach nur fremd ist. Sogar Menschen, die mit Gott nicht viel anfangen können, können heute sagen, dass uns in den Klimaveränderungen und den zunehmenden Extremwetterlagen unserer Tage unsere eigenen Sünden uns einholen. Mit unserer Art zu leben und zu konsumieren sind wir hauptverantwortlich für die heutige Lage der Welt. Unser Tun und auch unser Unterlassen haben Folgen.Die Erfahrung der großen Dürre allein verändert allerdings niemanden. Das ist heute nicht anders als vermutlich damals zur Zeit Jeremias.
Wo ist Gott in dieser schweren Zeit der Dürre? So fragen die Menschen in Juda zur Zeit Jeremias. Im Gebet erinnern sie sich und Gott daran, als wen sie ihn kennen gelernt und erfahren haben: Als Helfer in der Not, auf den sie deshalb auch für die Zukunft hoffen können. Im Gebet wird der Glaube konkret und praktisch. Wer betet, redet mit Gott und nicht mehr nur über ihn. Vielleicht ist das Gebet der einzige Ort, an dem wir die heilvolle Gegenwart Gottes immer wieder neu suchen und finden können. Auch Jesus hatte am Ende nicht mehr als das Gebet. Am Ende bleibt auch ihm nur, im Gebet alles auf Gott zu setzen. Das zeigen Gethsemane und Golgatha: Und er fiel nieder auf die Erde und betete, dass, wenn es möglich wäre, die Stunde an ihm vorüber ginge, erzählen die Evangelien von Jesus im Garten Gethsemane. Mein Gott, warum hast du mich verlassen? ruft er am Kreuz.
Selbst Fragen und Zweifel haben Platz im Gebet. Damals bei den Israeliten zur Zeit Jeremias und später bei Jesus – und auch, wenn wir beten. Wir können uns ein Beispiel daran nehmen, wie vor uns gebetet wurde: Gott kannst du nicht helfen? Oder willst du nicht? So beten Menschen angesichts der Dürre der scheinbaren Gottesferne. Damals wie heute. Und schon damit ist nicht mehr alles einfach nur wie vorher. Wer betet, bleibt nicht bei sich. Wer spricht, äußert sich, sagen wir. Er geht aus sich heraus. Vielleicht liegt darin schon die erste Antwort auf die Frage, ob Beten hilft. Vielleicht ist die Erfahrung, dass ich nicht bei mir bleiben muss, schon die erste Antwort auf die Frage, ob und wie Gott da ist:
So, dass er mir eine Tür öffnet aus dem Gefängnis der Selbstbezogenheit und des Egoismusses.
Vor vier Tagen, am 15. Januar, war der Geburtstag von Martin Luther King. Als Kämpfer gegen die Rassentrennung und für die Gleichberechtigung der Schwarzen erlebte er in seinem Leben Höhen und Tiefen. Er wurde für sein Engagement mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Aber er lebte auch mit ständigen Anfeindungen gegen sich und Bedrohungen gegen sein Leben. Mehr als einmal hat er gezweifelt. Wenige Tage, bevor er im Alter von 39 Jahren von einem weißen Rassisten erschossen wurde, predigte er: »Gott ist mächtig! Warum sich sorgen? Komme, was mag – Gott ist mächtig! Wenn unsere Tage dunkel sind und unsere Nächte finsterer als tausend Mitternächte, so wollen wir stets daran denken, dass es in der Welt eine große segnende Kraft gibt, die Gott heißt. Gott kann Wege aus der Ausweglosigkeit weisen. Er will das dunkle Gestern in ein helles Morgen verwandeln – zuletzt in den leuchtenden Morgen der Ewigkeit.«
Gottes Macht ist die Macht seiner helfenden und verwandelnden Liebe. Auf sie hat Martin Luther King gesetzt und gehofft. Auf sie zu setzen und zu hoffen, ist das, was auch den Israeliten in der Dürre bleibt. Manchmal ist unser Glaube ein Dennoch-Glaube, der gegen allen Augenschein glaubt und hofft. Und vielleicht entdecken wir dann erst im Rückblick, dass Gott da war. Brauchen wir nicht auch diesen Glauben in der Dürre und den Nöten unserer Tage, damit wir nicht aufgeben und weise und besonnen, aber schnell das Richtige tun: wir und nicht nur die Politiker?!
Ich denke, leider haben viele unter uns noch nicht begriffen, noch gehöre ich wohl oft auch dazu, wir können etwas tun oder etwas unterlassen. Im Alltag gelingt mir die Umsetzung oft immer noch nicht. Die Macht der Gewohnheit, meine Bequemlichkeit, der häufige Gedanke: es wird alles doch nicht so schnell kommen. Nein, es kommt Schlimmes auf uns, auf unsere Kinder und Enkel zu und ist schon Realität: Extremwetterlagen, Missernten, Gefährdung der Küsten, Abschmelzen der Gletscher, Auftauen des Permafrostes in Sibirien und im Gebirge, extreme Dürre nicht nur in Australien. Mein Glaube an Gott gibt mir Kraft und lässt mich nicht aufgeben. Wir, nicht nur die Regierungen können einiges tun: langsamer fahren, die 130 km/h auf den Autobahnen wären gut. Aber müssten bei einem Verbot kontrolliert werden. Warum machen wir es nicht von uns aus. Gute Lebensmittel müssen ihren Preis haben, die Bauern sollen davon und von Umweltmaßnahmen leben können. Wir müssen nicht so viele Lebensmittel wegwerfen, wir brauchen nicht jeden Tag Fleisch und Wurst. Dies ist sogar für uns gesünder und in der Haltung für die Tiere besser. Herr Gott, du wärest uns dann wohl wieder eher gewogen, weil wir Deine Schöpfung bewahrten und nicht weiter gefährdeten, wie es unser Auftrag ist.
Wir heißen nach deinem Namen, so steht es am Ende unseres Klageliedes. Als Getaufte können wir das nachsprechen. Christen haben ihren Namen von Christus. Er ist Gottes Ja zu unserem Leben. Deswegen beten wir, dass Gott uns Kraft und Phantasie schenke möge, damit wir durchhalten und nicht aufgeben.
Gott löst nicht unsere Probleme, aber er macht uns stark im Gebet, Not und Leid zu widerstehen und durchzuhalten. Dafür steht auch unsere Taufe. Sie steht dafür, dass er sich mit uns verbündet hat. Und wir mit ihm verbündet sind und bleiben – auch in Zeiten der Dürre, des Zweifels und der Fragen: Du bist ja doch unter uns und wir heißen nach deinem Namen – jetzt und für immer in dieser Zeit und in alle Ewigkeit.
Amen.